Josef Lang – k.k. Scharfrichter

Josef Lang - k.k. Scharfrichter vor dem Würgegalgen

Josef Lang, geboren am 11. März 1855 in Simmering, war ein angesehener Bürger. Der Sohn eines Eisenwarenhändlers absolvierte zunächst eine Tischlerlehre und kämpfte 1878 als Soldat der k.k. Armee in Bosnien. Später betrieb er in seinem Heimatort ein Kaffeehaus und engagierte sich bei der Freiwilligen Feuerwehr. Lang, von seinen Freunden „Pepi“ genannt, war ein großgewachsener, athletischer Mann und für seine Geselligkeit und Trinkfestigkeit bekannt. Der Wiener Scharfrichter Jakob Selinger – im Hauptberuf Milchhändler – zählte zu Langs Stammgästen. Im April 1894 benötigte er einen Gehilfen für eine Hinrichtung – und fragte kurzerhand den kräftigen Wirt, ob er mitfahren und assistieren wolle. Lang willigte ein. „Die Sache hat mich halt interessiert“, kommentierte er das später.

In Galizien wirkte Lang bei seiner ersten Hinrichtung mit: ein Mörder namens Fargacz wurde gehängt. Selinger soll nach Langs Erinnerungen beeindruckt von der ruhigen, zupackenden Art des Kaffeesieders gewesen sein und ihn überschwänglich gelobt haben. In den folgenden Jahren begleitete Lang den Henker quer durch die Monarchie – nach Brünn, Cilli, Graz – und assistierte. Ohne Lohn, „nur so zum Sport“, wie er später sagte. Seiner Frau und seinen Freunden erzählte er, er fahre Wein kaufen.

Als Selinger im September 1899 verstarb, wurde die Stelle des k.k. Scharfrichters von Wien öffentlich ausgeschrieben. Zahlreiche Bewerbungen gingen ein; auch ein Gehilfe des Prager Nachrichters meldete sich. Glaubt man Lang, so hatte sich dieser indes durch eine verpatzte Justifikation disqualifiziert. Als am 2. Januar 1900 in Wien die Kindesmörderin Juliana Hummel hingerichtet werden sollte, war noch kein Nachfolger für Selinger ernannt. Kurzfristig übernahm daher Leopold Wohlschläger, der Scharfrichter aus Prag, diese Exekution – mit angeblich katastrophalem Ausgang. Nach Langs Schilderung geriet die Hinrichtung zu einer dreiviertel Stunden langen Todesmarter, einem „Skandal einer Abschlachtung von Gesetzes wegen“, bei dem das „arme Opfer in Todeszuckungen“ fast 45 Minuten lang raste. Den entsetzten Beamten im Landesgericht habe nach diesem Fiasko derart „der Schreck in den Knochen“ gesessen, dass man Wohlschlägers Assistenten nicht als Selingers Nachfolger akzeptieren wollte.

So drastisch Lang die Qualen der Juliana Hummel beschreibt, so sehr muss man diese Darstellung hinterfragen. Lang selbst hatte gegenüber dem „rasenden Reporter“ Egon Erwin Kisch noch eine etwas zurückhaltendere Variante der Qualen Hummels geschildert: Wohlschläger habe „so lang an ihr herumgewurstelt, dass sie noch fünf Minuten gelebt hat.“

Der zeitgenössischen Tagespresse vom 2. und 3. Januar 1900, die teilweise umfassend von der Hinrichtung berichtete, ist nichts dergleichen zu entnehmen. „Schon nach zwei Minuten hatte Juliane Hummel ausgerungen“ schrieb die Wiener Allgemeine Zeitung, im Neuen Wiener Abendblatt ist von „ungefähr einer halben Minute“ zu lesen. Lang könnte aus der Retrospektive bewusst dramatisiert haben. Immerhin passte die Übertreibung ins Narrativ: Sie bot einen scharfen Kontrast zu Langs späterem Anspruch, Hinrichtungen sehr schnell und präzise zu vollstrecken.

Es ist auch nicht mehr ganz sicher zu klären, ob Lang sich auf den Ratschlag eines befreundeten Polizeirates um die Stelle als Nachrichter bewarb oder man sogar nach ihm als Gehilfen Selingers suchen ließ, weil sämtliche Bewerber für untauglich befunden wurden. Fest steht, dass er per Dekret vom 27. Februar 1900 zum k.k. Scharfrichter von Wien ernannt wurde. Seiner Frau erklärt er die neue Position beim Mittagessen: „Was glaubst du, dass ich jetzt bin?“. Ihre Reaktion: „Was kannst schon viel sein?“ Als sie das Dekret sah, glaubte sie ihm. Fortan war er zuständig für nahezu alle Hinrichtungen in Cisleithanien, dem österreichischen Teil der Monarchie – ausgenommen waren nur Böhmen sowie die okkupierten Provinzen Bosnien und Herzegowina. Mit der Ernennung musste Lang sein Kaffeehaus aufgeben, doch er blieb in Simmering geschätzt: Freunde und Familie akzeptierten den „Sport“ des gemütlichen Pepi Lang erstaunlich gelassen.

Mit der Bestellung Langs endete eine kleine Hinrichtungsflaute: Während der Monate nach Seelingers Tod hatte man in Österreich aus Mangel an Scharfrichtern anstehende Vollstreckungen teilweise aufgeschoben. Nun wurden Urteile wieder zügig exekutiert – obwohl Kaiser Franz Joseph bis 1914 oft von seinem Gnadenrecht Gebrauch machte.

Nur wenige Tage nach seiner Ernennung durfte Lang bereits seines neuen Amtes walten. In Rudolfswerth in Krain (heutiges Slowenien) sollte am 3. März 1900 ein wegen mehrfachen Raubmordes verurteilter „Zigeuner“ namens Simon Held hingerichtet werden, der kein Unbekannter für Lang war. Im April 1899 hatte Lang als Gehilfe Selingers schon einmal mit angepackt, um Held zu hängen: Damals erhielt Held in letzter Minute Galgenfrist, als er angebliche Mittäter benannte. Nun, knapp ein Jahr später, stand Josef Lang demselben Delinquenten wieder gegenüber – diesmal als verantwortlicher Scharfrichter.


„Bravo, Lang!“

In seinen Erinnerungen beschreibt Lang mit bemerkenswerter Offenheit seine Anspannung: „kreidebleich“ habe ihn der Gedanke umgetrieben, ob es ihm gelingen würde, den Delinquenten binnen einer Minute aus dem Leben in den Tod zu befördern, wie es die anwesenden Ärzte von ihm verlangten. Man hatte dem Debütanten, wie er selbst anmerkt, eine anspruchsvolle Aufgabe gestellt. Doch es verlief alles nach Plan: Nach 45 Sekunden schon konnte Lang dem Exekutionsleiter Vollzug melden, was der Gerichtsmediziner Prof. Haberda, der extra aus Wien angereist war, umgehend bestätigte. Er soll dem neuen Henker anerkennend auf die Schulter geklopft haben: „Bravo, Lang!“ Laut Lang hat sich seine Methode – ein straffes Herunterziehen des Delinquenten zur sofortigen Unterbindung der Halsschlagadern, wodurch augenblicklich Bewusstlosigkeit eintrete – vom ersten Tag an bewährt.

Held habe ihm kurz vor der Hinrichtung erzählt, dass er schon das „Vergnügen der Bekanntschaft“ gehabt habe und leider fürchte, dass dieses neue Zusammentreffen endgültig das letzte bleiben werde“. Sehr gefassten Mutes sei er willig mit festem Schritt zum Galgen gegangen, nur als ihm der Nachrichter die Schlinge um den Hals legte, habe er bittend die gebundenen Hände gehoben. Bevor er aber ein Wort habe hervorstoßen können, sei die Schlinge schon fest zugezogen und nach wenigen Sekunden alles aus gewesen. Mit „einer gewissen Dankbarkeit“ habe Lang an diesen ersten zurückgedacht, der „ihm den Anfang so leicht gemacht habe“.

Tatsächlich war Held keineswegs so stoisch und gefasst, wie Langs Schilderung vermuten lässt. Seine letzte Nacht in der Armesünderzelle war von Verzweiflung geprägt. Er soll am Vorabend „sehr niedergeschlagen“ gewesen sein und habe fast nichts mehr zu sich genommen. Er verfiel mehrfach in Weinkrämpfe, kaute nervös Tabak und bat um die Erlaubnis, ein letztes Mal Violine spielen zu dürfen – was man ihm abschlug.

Josef Lang führte den „Erfolg“ bei Helds Hinrichtung nicht nur auf seine eigene körperliche Stärke, sondern auch auf seine durchdachten Methode zurück. Er hatte aus seinen Hospitationen gelernt, wie man einen Menschen rasch und möglichst schmerzfrei erdrosselt. Während ältere Henker wie Selinger mitunter länger brauchten, entwickelte Lang einen effizienteren Vollzugsablauf. Kern seines Vorgehens war die sofortige Unterbindung der Halsschlagadern durch den Strick. Sobald der Verurteilte hochgezogen wurde, führte der wuchtige Zug am Hals zu einem schlagartigen Blutandruck im Kopf oder alternativ zum reflektorischen Herzstillstand – in jedem Fall verlor der Delinquent „in dem Augenblicke des Zuziehens des Strickes fast sofort das Bewusstsein“. Lang war überzeugt, dass sein Opfer dadurch „absolut keinen Schmerz verspüren“ könne. Die vereinzelten Zuckungen, die noch für wenige Sekunden darauf folgten, seien nur unbewusste Reflexe des bereits Sterbenden. Tatsächlich war der Körper in den von Lang dokumentierten Fällen meist nach spätestens einer Minute reg- und leblos. Eine länger dauernde Hinrichtung betrachtete Lang als inakzeptable „rohe Abschlachtung“. Er hielt den Tod durch den Strang vielmehr für „jedenfalls die humanste“ Art der Exekution – vorausgesetzt, sie würde von einem Fachmann und „keinem Stümper“ vollzogen.

Lang untermauerte seine Thesen sogar empirisch. Er ließ sich einmal von seinen eigenen Gehilfen probeweise würgen, um die dabei auftretenden Empfindungen kennenzulernen. Nach Anziehen der Schlinge verspürte er – so berichtete er später – zunächst Beklemmungen, dann jedoch unerwartet Wohlgefühl: Er habe Orgelmusik und entfernten Gesang gehört.

Seine Vollstreckungspraxis richtete Lang bis ins Detail darauf aus, jeden unnötigen Schmerz oder Eklat zu vermeiden. Für jede Hinrichtung führte er eine schwarze Ledertasche mit den benötigten Gerätschaften mit sich. Darin befanden sich unter anderem ein Paar schwarze Handschuhe, breite Lederriemen und eine dünne Seidenschnur. Letztere diente dazu, dem „Malefikanten“ vor der Exekution die Hände zu fesseln – eine dünne Schnur genügte, da die verbleibenden Zuckungen so schwach waren, dass sie nie riss. Lang selbst trat stets korrekt gekleidet in Erscheinung: am Hinrichtungstag trug er einen schwarzen Salonanzug und Glacéhandschuhe.


„Wie zu einem Balle kommen, um im Tanze mit dem Delinquenten diesen in eine andere Welt zu befördern.“

Die Presse konnte sich spitze Bemerkungen über diese Henkerstracht nicht verkneifen. „Es heißt, dass Lang morgen im Cylinder, in Lackstiefeln und mit Glacéhandschuhen zur Hinrichtung erscheinen wird“, ätzte die Neue Freie Presse im Frühjahr 1901, „Er würde dann wie zu einem Balle kommen, um im Tanze mit dem Delinquenten diesen in eine andere Welt zu befördern.“ Die Boulevardpresse machte das ohnehin neugierige Publikum mit minutiösen Berichten über die Hinrichtungen zum Ersatz für die früheren volksumjubelten Hinrichtungen auf dem öffentlichen Richtplatz.

Der Vollzugsablauf selbst folgte einem strikten Schema. Lang hatte 24 Stunden vor einer Hinrichtung beim Gerichtspräsidium zu erscheinen. Der Galgenhof und der Richtpflock wurden vorbereitet. Die Delinquenten wurden erst jetzt darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Hinrichtung am nächsten Morgen vollstreckt werde. Sie wurden für die letzte Nacht in die Armesünderzelle gebracht. Für die letzten Lebensstunden wurden den Verurteilten die Ketten abgenommen, ihnen wurde freigestellt, einen letzten Wunsch zu äußern, der erfüllt wurde, falls es irgendwie möglich war. Einige letzte Wünsche blieben Lang im Gedächtnis: Bier, Wein oder Zigarren. Jedoch nur in Maßen. Der Delinquent sollte bei klarem Verstand sein, nüchtern, unberauscht. Nur dann war die Hinrichtung ordnungsgemäß. Der Wunsch nach einer Frau – zur „Befriedigung des Geschlechtstriebs“ – war häufig, wurde aber nicht erfüllt. „Wie wundersam ist die menschliche Natur“, sinnierte Lang über solche Bitten.

Unmittelbar vor dem Akt prüfte er persönlich den Strick: Er wurde sorgfältig eingesalbt, um reibungslos zu gleiten. Eine Metallklemme – der „Kloben“ – fixierte das Seil oben am Galgenbalken, sodass sich darunter eine große bewegliche Schlinge bildete. Der Verurteilte wurde an den Galgen herangeführt, sein Kopf in die Schlinge gelegt und diese dann zugezogen, die Gehilfen zogen gleichzeitig an den Beinen nach unten. Durch das Zuziehen des Strangs trat entweder sofort ein Herzschlag oder eine Gehirnlähmung ein – je nachdem, ob das Blut sich zum Kopf hin staut oder zum Herzen zurücksackt, was Lang am Pulsschlag des Halses glaubte unterscheiden zu können. Der Delinquent verfiel laut Lang augenblicklich in Bewusstlosigkeit und starb binnen kurzer Zeit. Die berüchtigten Zeichen einer langsamen Erdrosselung oder eines Genickbruchs blieben bei Langs Methode indes aus.

Lang verurteilte die im angelsächsischen Raum übliche Falltür-Methode: „Ich begreife nicht, wie ein humanes Volk wie das amerikanische einen solch barbarischen Akt der Hinrichtung billigen kann.“

Der Genickbruch beim ruckartigen Sturz durch eine Falltür erfolge „nur in seltenen Fällen“, meistens aber werde der Delinquent lediglich schwer verletzt und müsse bei vollem Bewusstsein qualvoll ersticken. Lang hielt den langen Todeskampf am Strick, wie er etwa in den USA oft vorkam, für „himmelschreiende Barbarei“. Nicht selten reiße dabei durch den Ruck sogar die Haut am Hals ein – in Langs Augen eine „beispiellose Grausamkeit“.

Seine erste Hinrichtung auf Wiener Boden führte Lang an dem 27-jährigen Stefan Waniek durch, der bei einem Einbruch in Favoriten ertappt worden war und auf der Flucht eine Frau erschossen hatte. Waniek wurde am 21. Mai 1901 im Wiener Landesgericht gehängt. Am 11. August 1902 folgte der Raubmörder Johann Woboril, der einen Altwarenhändler ermordet hatte. Nach Woborils Hinrichtung kursierte in Wien eine Ansichtskarte, die Lang und seine Gehilfen „nach getaner Arbeit“ beim Frühstück in einem Café nahe dem Gerichtsgebäude zeigte, datiert auf den 11. August 1902. Der Cafetier, der diese Szene fotografieren ließ, machte damit wohl ein gutes Geschäft, wie Karl Kraus in „die Fackel“ bemerkte.


„Leckt’s mich im A…!“

Am 25. April 1903 vollstreckte Lang das Urteil an Anton Senekel, der eine Trafikantin erstochen und ausgeraubt hatte. Zwei Tage nach seiner Tat war Senekel, auf einer Parkbank im Wiener Prater sitzend und das Raubgeld zählend, festgenommen worden. Bei seiner Exekution richtete der Mörder derbe letzte Worte an die Anwesenden – „Leckt’s mich im A…!“ – Lang war schneller. Die Schlinge unterbrach den Satz. Nach weniger als einer Minute: Stille. Es war die letzte Hinrichtung im Galgenhof des Landesgerichts Wien.

Seine Dienste wurden nicht nur in Wien, sondern in der gesamten Monarchie angefordert. So reiste Lang etwa nach Ungarn, um den Oberleutnant Béla von Pap in Pressburg zu hängen – ein adeliger Offizier, der einen Auftragsmord an seinem eigenen Bruder organisiert hatte. Auch in anderen Kronländern war Lang im Einsatz, sobald irgendwo die Ultima Ratio der Justiz walten sollte. Er fuhr dann per Eisenbahn mit seiner Reisetasche und seinen Gehilfen an den Hinrichtungsort, vollzog am frühen Morgen das Urteil und kehrte tags darauf nach Wien zurück. Nicht selten wurde er von einer ganzen Menschenmasse empfangen, die einen Blick auf den Wiener Nachrichter werfen wollte.

Josef Lang war berühmt. Oder berüchtigt. Oder beides. Auch Anfang des 20. Jahrhunderts war der Beruf des Henkers noch Projektionsfläche für Aberglauben. Lang erhielt Post. Viel Post, wie er berichtete. Von Frauen und Männern, Bauern und Adligen, Wahnsinnigen und Frommen. Sie wollten ein Stück vom Strick, einen Segen, einen Fluch, ein „Zauperwort“ das den Geist des toten Kindes vertreibt oder einen Tropfen Urin für die Schläfen und manchmal einen Besuch. Die Damen der Gesellschaft sollen ihn umschwärmt haben. Einmal habe ihn eine junge Dame gebeten, eine Strangulation zu demonstrieren. An ihr. Sucht man im Internet nach Bildern von Josef Lang, so stößt man neben der Szene in Trient vor allem auf ein Porträt, das den Wiener Scharfrichter in einer Art Sportkostüm in Leopardenoptik zeigt. Geschmückt ist Lang auf diesem Bild mit einer fast verdächtigen Anzahl von Medaillen und Ehrenzeichen. Der Gesichtsausdruck des Henkers ist ernst und selbstbewusst, fast staatsmännisch.

Lang erhielt ein Grundgehalt von 140 Kronen monatlich, was 2025 einer Kaufkraft von etwa 1.260 € entspricht. Für jede Hinrichtung erhielt er eine zusätzliche Pauschale von 50 Kronen (2025 ca 450 €). Reich wurde er mit seinem Sport also nicht – doch Lang betrachtete seinen Beruf wohl ohnehin weniger als Broterwerb denn als Berufung. Dass er als Scharfrichter ein Anhänger der Todesstrafe war, überrascht nicht; moralische Skrupel habe er beim Hängen von Mördern keine, zumal er die Todesstrafe als gerechtfertigte Sühne für die Leiden der Opfer und Hinterbliebenen betrachte.

Während des Ersten Weltkriegs nahm die Tätigkeit Langs noch einmal drastisch zu. Die Habsburgermonarchie verhängte nun auch Todesurteile wegen Hochverrats und Spionage, insbesondere in den umkämpften Randgebieten. Lang, inzwischen über 60 Jahre alt, wurde häufiger zu den Militärgerichten an der Front beordert.

Am 12. Juli 1916 vollstreckte er das Urteil an Dr. Cesare Battisti, einem ehemaligen Abgeordneten des Reichsrats in Wien, der sich nach Kriegsbeginn auf die Seite Italiens geschlagen hatte und nach Gefangennahme wegen Hochverrats zum Tode verurteilt worden war. Die Exekution fand im Hof des Castello del Buonconsiglio in Trient statt. Der Verurteilte bewahrte bis zuletzt Haltung. Ohne mit der Wimper zu zucken, ließ Battisti sich die Schlinge anlegen; im letzten Moment rief er laut: „Evviva l’Italia!“ – Es lebe Italien!

Am gleichen Vormittag richtete Lang im Schloss Trient noch einen zweiten italienischen Irredentisten hin: den Leutnant Fabio Filzi, der kurioserweise ein alter Bekannter Langs war. In Friedenszeiten hatte der junge Jurist als k.k. Gerichtsbeamter an einer früheren Hinrichtung zugegen sein müssen, die Lang an einem Raubmörder vollstreckte. Filzi soll damals fasziniert Langs Erzählungen aus der Henker-Praxis gelauscht haben – nicht ahnend, dass er selbst Jahre später unter dessen Händen enden würde. Als Battisti und Filzi kurz vor ihrer Hinrichtung in Trient einander begegneten, erkannten sie den grauhaarigen Herrn mit dem Zylinder sofort. „Scharfrichter Lang aus Wien ist schon da!“, rief Battisti seinem Mitgefangenen zu. – „Ich habe ihn schon gesehen. Ein alter Bekannter von mir!“, antwortete Filzi trocken.

Die Vollstreckung dieser Urteile sorgte in Europa für Aufsehen. Ein Foto zeigt Lang nach vollbrachter Tat, flankiert von seinen Gehilfen und umringt von Militär, wie sie neben Battistis Leiche posieren – und dabei unverhohlen in die Kamera lächeln. Das Foto des „lachenden österreichischen Henkers“ ging um die Welt.

Lang selbst erwähnt die Angelegenheit in seinen Erinnerungen eher knapp. Dass er den wohl bedeutendsten „Kunden“ seiner Laufbahn exekutieren durfte, vermerkte er ohne offensichtliche Gefühlsregung, rühmte jedoch die „gute Haltung“ Battistis am Schafott – offenbar beeindruckt von der Ruhe, mit der sein prominentes Opfer für seine Überzeugungen in den Tod gegangen war.

Andere Berichte schildern ein brisantes Detail über die Hinrichtung Battistis, das Lang mit Schweigen übergeht. Bei der Vollstreckung soll es zu einem Defekt am Galgen gekommen sein: Das erste Seil erwies sich als unzureichend belastbar und riss, der Delinquent stürzte zu Boden – halb stranguliert, aber noch am Leben. Während fehlgeschlagene Hinrichtungsversuche früher häufig als Gotteszeichen zur Begnadigung führten, kannte die Militärjustiz im Krieg kein Erbarmen. Man legte kurzerhand ein neues Seil an und vollzog die Hinrichtung umgehend im zweiten Anlauf.

Bis zum Ende des Weltkriegs im November 1918 führte Josef Lang zahlreiche weitere Hinrichtungen durch. Insgesamt sollen 38 Personen durch seine Hand hingerichtet worden sein.

Mit dem Zusammenbruch Österreich-Ungarns endete auch Langs Laufbahn. Die neue Republik schaffte 1919 die Todesstrafe für Zivilverbrechen ab; der Posten des Wiener Scharfrichters wurde vorerst nicht neu besetzt. Josef Lang trat in den Ruhestand und erhielt eine Pension für seine fast zwei Jahrzehnte währende Dienstzeit. Er blieb in Simmering ansässig und verbrachte seine letzten Jahre in einem bescheidenen Häuschen neben der Feuerwehr-Wache.

Am 21. Februar 1925 starb Lang kurz vor seinem 70. Geburtstag. Tausende Menschen gaben ihm das letzte Geleit.

Er war Teil der Justiz, aber auch Kuriosum. Der letzte Strick einer alten Ordnung. Acht Jahre nach seinem Tod wurde die Todesstrafe wieder eingeführt. Sein Neffe Johann Lang übernahm das Amt.

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